Thema / Topic

Thema

Konferenz zur Bekämpfung des Menschenhandels und aller Formen der sexuellen Ausbeutung: 
Aufkommende Trends und langfristige Strategien

Deutsche und internationale Ansätze 

Hintergrund und Beweggründe

Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung können in jedem Kontext oder Medium stattfinden, in dem Prostitution und Pornografie angeboten werden, sei es online oder offline. Es handelt sich dabei um ein stark geschlechtsspezifisches Phänomen. 92 Prozent aller identifizierten Betroffenen sind Frauen und Mädchen.[1]

Es sind insbesondere Armut und die Unmöglichkeit, Zugang zu menschenwürdiger Arbeit zu erhalten, die Frauen dazu führen können, nach riskanten wirtschaftlichen Chancen Ausschau zu halten, bei denen sie dem Risiko von Zwang, Missbrauch und Menschenhandel ausgesetzt sind. Außerdem findet der Handel mit und die Ausbeutung von Frauen und Mädchen in der Regel nicht isoliert statt, sondern innerhalb eines Kontinuums von Gewalt. Das Bestreben, aus Situationen der Gewalt und des Missbrauchs zu fliehen, gilt als weiterer Push-Faktor dafür, dass Frauen und Mädchen Risiken eingehen, die dazu führen können, dass sie Opfer von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung werden.[2] So konnten Zusammenhänge zwischen häuslicher Gewalt und Menschenhandel bereits dokumentiert werden.[3] Der exponentielle Anstieg von Berichten über häusliche Gewalt während der COVID-19 Krise wirkt somit weiterhin als Push-Faktor.

Auch neue Trends im Bereich des Menschenhandels und sexueller Ausbeutung sowie die Folgen der COVID-19-Pandemie sind durch geschlechtsspezifische Vulnerabilitäten gekennzeichnet und werden durch bereits bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern noch verschärft.[4] Vor der COVID-19-Pandemie bildeten Frauen und Mädchen, insbesondere aus marginalisierten Gemeinschaften, die Mehrheit der identifizierten Betroffenen von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung und es ist wahrscheinlich, dass dieser Trend anhalten wird.[5]

Dies erfordert robuste Präventionsansätze und die Entwicklung von Strategien mittels derer Betroffene Situationen der sexuellen Ausbeutung entfliehen können. Die 189 Vertragsstaaten der CEDAW sind unmittelbar und verbindlich verpflichtet, jede Form der Ausbeutung der Prostitution von Frauen zu unterbinden.[6] Die Allgemeine Empfehlung Nr. 38 der UN CEDAW zum Frauen- und Mädchenhandel im Kontext globaler Migration (2020)[7] bekräftigt ebenfalls als vorrangige individuelle wie auch kollektive Pflicht der Staaten, zu verhindern, dass Frauen und Mädchen dem Risiko ausgesetzt sind, Opfer von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung zu werden. Sie enthält praktische Anleitungen für die Umsetzung von Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels, die auf einem intersektionalen Ansatz beruhen und die Gleichstellung der Geschlechter fördern. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Verwirklichung der Menschenrechte von Frauen und Mädchen als strategische Priorität zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung. Die Empfehlung hebt außerdem die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Vertragsstaaten hervor, Betroffene des Menschenhandels zu identifizieren, zu unterstützen und zu schützen, ihre Reviktimisierung zu verhindern und ihren Zugang zur Justiz sowie die Bestrafung der TäterInnen sicherzustellen.

Des weiteren besagt Artikel 9 (5) des Palermo-Protokolls[8]: „Die Vertragsstaaten treffen oder verstärken gesetzgeberische oder sonstige Maßnahmen, wie etwa erzieherische, soziale oder kulturelle Maßnahmen, so auch durch zwei- und mehrseitige Zusammenarbeit, um der Nachfrage entgegenzuwirken, die alle Formen der zum Menschenhandel führenden Ausbeutung von Personen, insbesondere von Frauen und Kindern, begünstigt.“

Es ist wichtig, sich sofort und mit Dringlichkeit für die Prävention aller Formen der sexuellen Ausbeutung, einschließlich des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, einzusetzen. Aus diesem Grund sollten sich die verschiedenen Akteure zusammenfinden, um ein gemeinsames Verständnis und abgestimmte politische und rechtliche Ansätze zu finden, um Systeme zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung und des Menschenhandels zu schaffen, die in verschiedenen nationalen Kontexten, einschließlich Deutschland, befolgt werden können.

Vor diesem Hintergrund veranstaltet das deutsche Bündnis Gemeinsam gegen Menschenhandel seit 2016 regelmäßig Konferenzen, um verschiedene Aspekte dieses Themas näher zu beleuchten und die Bekämpfung des Problems zu unterstützen. Aktuell werden in Deutschland Strategien zur Bekämpfung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung sowie deren Verflechtung mit der Prostitution neu diskutiert – auch unter dem Aspekt der Gleichstellung der Geschlechter. Der Umgang mit Prostitution und der Sexindustrie stehen auf dem Prüfstand.

Diese Konferenz wird daher einen Schwerpunkt darauf legen, die deutschen rechtlichen und politischen Ansätze in diesen Bereichen zu beleuchten, internationale Perspektiven und Best Practices aufzuzeigen und vielversprechende Ansätze zum Umgang mit dem Thema zu entwickeln. Die Konferenz wird eine Reihe von Empfehlungen zum Umgang mit Menschenhandel und allen Formen der sexuellen Ausbeutung erarbeiten, wobei der Schwerpunkt auf den folgenden vier Bereichen liegt:

(1) langfristige und nachhaltige politische Lösungen,

(2) Stärkung der nationalen rechtlichen Rahmenbedingungen,

(3) innovative Ansätze der Zivilgesellschaft, die sich mit neuen Trends und Herausforderungen befassen, und

(4) vielversprechende Ansätze der Strafjustiz.

Das deutsche Bündnis Gemeinsam gegen Menschenhandel, die Konrad-Adenauer-Stiftung und OSZE/BDIMR sind bestrebt, einen effektiven Austausch von Informationen, vielversprechenden Praktiken und Erfahrungen über die laufenden und zukünftigen Maßnahmen im Bereich der Bekämpfung des Menschenhandels und aller Formen der sexuellen Ausbeutung kontinuierlich zu fördern.

In diesem Zusammenhang wird die Konferenz an zwei Tagen stattfinden, wobei das hochkarätige Forum am ersten Tag internationale und deutsche Perspektiven für langfristige Lösungen zur Bekämpfung des Menschenhandels und aller Formen der sexuellen Ausbeutung beleuchtet und eine Reflexion über die aktuellen Herausforderungen der COVID-19-Pandemie bietet. Der zweite Tag der Konferenz legt seinen Schwerpunkt auf innovative Ansätze der Zivilgesellschaft zur Unterstützung von Betroffenen während der COVID-19-Pandemie sowie auf vielversprechende Praktiken in Deutschland und international bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität im Kontext von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung. Die Konferenz wird den Meinungsaustausch zwischen staatlichen Stellen (einschließlich politischen Entscheidungsträgern und Akteuren der Strafjustiz), der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und führenden Akteuren der Betroffenen fördern.

[1] UNODC (2021), Global Report on Trafficking in Persons 2020.
[2] UN General Assembly (2018), Trafficking in women and girls: Report of the Secretary-General, 27 July 2018, A/73/263, para. 19.
[3] NNEDV (2017), The Intersections of Domestic Violence and Human Trafficking.
[4] ODIHR & UN Women (2020), Addressing Emerging Human Trafficking Trends and Consequences of the COVID-19 Pandemic.
[5] UNODC (2019), Global Report on Trafficking in Persons 2018.
[6] siehe OHCHR, Status of ratification: Interactive Dashboard.
[7] Committee on the Elimination of Discrimination against Women (2020), General recommendation No. 38 (2020) on trafficking in women and girls in the context of global migration, 20 November 2020, CEDAW/C/GC/38.
[8] The Protocol to Prevent, Suppress and Punish Trafficking in Persons Especially Women and Children, supplementing the United Nations Convention against Transnational Organized Crime (New York, 15 Nov. 2000). UN Doc. A/55/383, entered into force 25 Dec. 2003.

 

Zitate

"Irgendwo gibt es eine Person, die gerade ausgebeutet wird. Jemand, der nicht benutzt, gekauft oder verkauft werden wollte. Jemand, der einfach nur Essen oder Geld für die Miete brauchte, jemand, der einfach niemanden hatte, an den er oder sie sich wenden konnte bzw. der oder die keine andere Wahl hatte. Solange wir diese Person nicht als Freund/in, Nachbar/in, Schwester, Tochter usw. sehen, wird es nie aufhören.“ Ehemalige Betroffene aus den USA

"Wenn man etwas tiefer geht, sieht man, dass die Lebensumstände die Menschen in die Prostitution gezwungen haben. Es ist wie bei jemandem, der von einem brennenden Gebäude springt - natürlich kann man sagen, dass die Person sich freiwillig entschieden hat zu springen. Aber man könnte auch sagen, dass diese Person keine Wahl hatte. Ich will nicht leugnen, dass es Menschen gibt, die sich prostituieren und für die es vielleicht in Ordnung ist, aber das ist nicht die große Masse, sondern nur ein kleiner Bruchteil. Für die große Masse bedeutet Prostitution, gefangen zu sein. Gefangen in einem Leben voller Gewalt und voller Lügen. Für diese Menschen bedeutet Prostitution ein enormes Maß an unsagbarem Leid, das nie wieder gut gemacht werden kann.” Ehemalige Betroffene aus Deutschland

Die Strafen für diejenigen, die Personen anwerben, ausbeuten und verkaufen, die aufgrund wirtschaftlicher Probleme arbeitslos geworden und ein gutes Ziel für MenschenhändlerInnen sind, müssen verschärft werden.“ Kasachstan  

„Die Kapazität von Grenzbehörden muss verstärkt werden, um Fälle von Menschenhandel aufzudecken.“ Zentralafrikanische Republik  

„Sexkauf muss kriminalisiert werden – der Fokus muss auf die ‚Kunden‘ gelegt werden, nicht auf die in der Prostitution Tätigen. Eine Reduktion der Nachfrage wird das Angebot an Opfern von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung verringern. Deutschland  

Kanäle für legale Arbeitsmigration müssen für Sektoren vorhanden sein, die typischerweise von MigrantInnen besetzt werden, wie z.B. Landwirtschaft, häusliche Pflege, Bauwesen. Österreich  

„Es muss mehr getan werden, um die Nachfrage nach Prostitution zu reduzieren, z. B. durch die Bestrafung von Zuhältern, die Schließung von Privatwohnungen, in denen Prostitution ausgeübt wird, etc. Spanien  

MenschenhändlerInnen werden auf einer Seite geschützt und die Abläufe werden nicht bestraft, was die Bekämpfung des Menschenhandels und der Ausbeutung zusätzlich erschwert. Kolumbien 

ODIHR & UN Women (2020), Addressing Emerging Human Trafficking Trends and Consequences of the COVID-19 Pandemic

English:

Topic

Conference on Addressing Human Trafficking and All Forms of Sexual Exploitation:
Emerging Trends and Long-Term Strategies

German and International Approaches 

Background and Rationale

Human trafficking for sexual exploitation can occur in any forum or medium in which prostitution and pornography are provided, either online or offline. It is a highly gendered phenomenon, with 92 percent of all identified trafficked persons being women and girls.[1]

Poverty and the inability to gain access to decent work may push women to seek risky economic opportunities where they are at risk of coercion, abuse and trafficking. Trafficking in women and girls does not happen in isolation. It happens in a continuum of violence. Efforts to flee situations of violence and abuse prompt women and girls to take risks that may lead to them being trafficked.[2] The links between domestic violence and human trafficking have already been documented.[3]  The exponential increase in reports of domestic violence during the COVID-19 pandemic can thus continue to be a push factor.

Emerging trends in human trafficking and sexual exploitation, as well as consequences of the COVID-19 pandemic are also marked by gender-specific vulnerabilities and are further exacerbated by already existing gender inequalities.[4] Prior to the COVID-19 pandemic, women and girls, especially those from marginalized communities, constituted the majority of detected victims of human trafficking and it is likely that this trend will continue.[5]

This requires robust prevention strategies and development of exit strategies from situations of sexual exploitation. The 189 States Parties to CEDAW are under a direct and binding obligation to suppress all forms of exploitation of the prostitution of others.[6] In addition, the UN CEDAW General recommendation No. 38 on trafficking in women and girls in the context of global migration (2020)[7] affirms as a priority duty of States, both individually and collectively, to prevent women and girls from exposure to risk of being trafficked. States are also obliged to discourage the demand that fosters exploitation and leads to trafficking. It sets out practical guidance on implementing anti-trafficking interventions that are based on a gender transformative and intersectional approach, with the focus on realizing women’s and girls’ human rights as a strategic priority for achieving sustainable development. It recalls States parties’ obligations under international law, including the Committee’s jurisprudence, to identify, assist and protect trafficking survivors, to prevent their revictimization, and to ensure their access to justice, and punishment of perpetrators.

Furthermore, the Palermo Protocol, Article 9 (5)[8] states that “States Parties shall adopt or strengthen legislative or other measures, such as educational, social or cultural measures, including through bilateral and multilateral cooperation, to discourage the demand that fosters all forms of exploitation of persons, especially women and children, that leads to trafficking.”

It is important to engage immediately and with urgency in the prevention of all forms of sexual exploitation including trafficking for the purpose of sexual exploitation. Therefore, multi-agency stakeholders should come together to find common understandings and agreed policy and legal approaches in order to create systems of anti-trafficking work that can be followed in a variety of national contexts, including Germany.

Against this backdrop, the German Alliance Together Against Human Trafficking has been organizing regular conferences since 2016 to shed more light on various aspects of this issue and to support its fight. Currently, strategies for combating trafficking for the purpose of sexual exploitation and its interlinkage with prostitution are being re-discussed in Germany - also from the perspective of gender equality. The legislative approaches regulating prostitution and the sex industry are being reconsidered.

The conference will therefore focus on reexamining the German legal and policy approaches in these areas, highlighting international perspectives and best practices, and developing promising approaches to dealing with the issue. The conference will produce a set of recommendations on addressing human trafficking and all forms of sexual exploitation, with a focus on the following four areas:

(1) long-term and sustainable policy solutions,

(2) strengthening of national legal frameworks,

(3) civil society innovative approaches addressing emerging trends and challenges, and

(4) promising criminal justice approaches.

German Alliance Together Against Human Trafficking, the Konrad Adenauer Foundation and OSCE/ODIHR strive to continually foster an effective exchange of information, promising practices and lessons learned on the ongoing and future activities in the field of combatting human trafficking and all forms of sexual exploitation.

In this context, the Conference will take place over two days, with the first day high-level forum highlighting international and German perspectives on long term solutions to combatting human trafficking and all forms of sexual exploitation and provide a reflection on the current challenges posed by the COVID-19 pandemic. The second day of the conference will focus on civil society’s innovative approaches to provision of victim and survivor support and services during the COVID- 19 pandemic and promising practices in Germany and internationally in combatting organized crime in the context of human trafficking and sexual exploitation. The conference will facilitate the exchange of views among government (including policymakers and criminal justice actors), civil society, academia and survivor leader stakeholders.

 

Quotes

There is a person being exploited. Someone who did not want to be used, bought or sold. Someone who just needed food, rent, someone who just didn’t have anyone else to turn to or another choice. Until we see that person as our friend, neighbor, sister, daughter, etc., it will never stop.” Survivor from the United States.

“If you look deeper, you see that the circumstances of life have forced people into prostitution. It is like someone jumping from a burning building - of course, you can say that the person voluntarily chose to jump. But you can also say that person had no choice. I don't want to deny that there are people who prostitute themselves and for whom it may be okay, but that is not the great mass, but only a small fraction. For the great mass, prostitution means being trapped. Trapped in a life full of violence and full of lies. For these people, prostitution means an enormous amount of unspeakable suffering that can never be repaired.” Survivor from Germany

Tighten the punishment for those who recruit, exploit, sell those who, due to economic problems, find themselves unemployed in the labor market and become a good target for traffickers.” Kazakhstan

“Introduce a criminalization of sex purchase - focusing on the “clients” rather than the persons in prostitution. A reduction of demand will reduce the supply of victims of trafficking for sexual exploitation.” Germany

Ensure channels for legal labour migration are in place for sectors typically filled by migrants, e.g., agriculture, in-home care, construction.” Austria

“Doing much more to reduce the demand for prostitution with the penalty to the pimps, the closure of private apartments where it is exercised, etc.” Spain

“Traffickers are protected on one side and the processes are not punished, which makes combatting trafficking and exploitation even more difficult.” Colombia

ODIHR & UN Women (2020), Addressing Emerging Human Trafficking Trends and Consequences of the COVID-19 Pandemic

 

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